Wasser einfrieren oder Menschen wegfotografieren – mit der Belichtungszeit zaubern

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Das war knapp: Der Fahrer ist scharf, aber bei 1/500 Sekunde Belichtungszeit beginnen die Fahrradspeichen zu verwischen

“Schau mal, was ist denn da passiert: Die Fahrradfahrer vom Straßenrennen sind irgendwie zu verwischten bunten Flecken geworden!” “Na, die waren eben zu schnell fürs Foto …”

Wer so antwortet, liegt genau richtig: Die Fahrradfahrer waren wirklich “zu schnell”, und zwar für die eingestellte Belichtungszeit. Denn alles, was sich in diesem meist ja recht kurzen Zeitraum durchs Bild bewegt, macht verwischte Spuren – beim Radrennen durchaus möglich.

Wie immer gilt: Wenn man weiß, wie´s geht, kann man diesen “Fehler” als bewusstes Gestaltungselement einsetzen – deswegen hier das Zeit-Rezept.

Kameraeinstellung: T, Tv oder S
Grüße vom Riesenrad - mit Stativ und vollen 15 Sekunden

Grüße vom Riesenrad – mit Stativ und vollen 15 Sekunden

Nein, “Tv” auf dem Programmwahl-Rad hat nichts mit Fernsehen zu tun – es steht für “Time value” (“Zeitvorwahl”), bei manchen Kameras heißt das auch schlicht “T” (“Time”, Zeit) oder auch “S” (“Shutter” – Vorhang).
Ebenso wie bei der Blendenvorwahl geht es um eine Halbautomatik: Sie stellen die Belichtungs- oder Verschlusszeit ein (wie lange kann Licht in die Kamera einfallen, um das Bild zu erzeugen), die Kamera wählt die richtige Blende dazu – daher auch der etwas verwirrende Namen “Blendenautomatik”.

Wenn Sie T bzw. Tv oder S eingestellt haben und am Einstellrädchen nahe dem Auslöser drehen, verändern Sie die Verschlusszeit – die wird als Sekundenbruchteil auch im Sucher bzw. auf dem Display eingeblendet.

 

 

Belichtungszeit in Reportagen nutzen

Bei 1/40 Sekunde fliegen die Späne

Die heute üblichen Verschlusszeiten – wie viel von dieser Reihe Ihre Kamera beherrscht, hängt vom Modell ab:

B … 4″ – 2″ – 1″ – 0,5″ – 0,25″ – 1/8 – 1/1 – 1/30 – 1/60 – 1/125 – 1/250 – 1/500 – 1/1000 – 1/2000 – …

“B” steht dabei für eine selbst gewählte lange Verschlusszeit (das können z.B. bei Nachtaufnahmen auch mal mehrere Minuten sein – Stativ und Fernauslöser benutzen!), die zwei Gänsefüßchen ” bedeuten “Sekunde”.

Einfrieren oder verwischen
Relativ kurze Belichtungszeit

Wasser so gut wie eingefroren – 1/250 Sekunde

In einer 1/2000 Sekunde oder noch kürzerer Zeit muss ein Objekt schon sehr fix sein, um einen Wischer aufs Bild zu machen – die Bewegungen werden quasi “eingefroren”. Das Auto steht auf der Strecke, der Weitspringer hängt über der Sandgrube in der Luft, ein Kind ist mitten im Lauf erstarrt …
Das kann gut aussehen – aber manchmal bringt auch gerade ein (leichtes) Verwischen Dynamik und Bewegung ins Bild.

Wann das Verwischen beginnt, hängt von der Geschwindigkeit der Bewegung ab: Beim Motorradrennen können Sie mit 1/1000 schon “Glück” haben, gestikulierende Menschen bekommen bei etwa 1/50 verwischte Hände. Und je länger die Blende offen ist, desto verwaschener werden die bewegten Bildteile.

Mit der Zeit zu spielen macht Spaß! – Zwei Tipps zum Ausprobieren
Belichtungszeit für Bildgestaltung nutzen

Wasser beginnt zu fließen – 1/60 Sekunde

Nehmen Sie Menschen auf, die an Ihnen vorbei durchs Bild gehen – probieren Sie verschiedene Zeiten aus, z.B. angefangen mit 1/60, dann das “gleiche” Bild mit 1/30 und (bei sehr ruhiger Hand, sonst Kamera auflegen oder Stativ benutzen) 1/15 Sekunde. Vor allem die Beine werden immer durchsichtiger …

Eis und Wasser: Suchen Sie sich ein rasch fließendes Wasser – Springbrunnen, über Steine hüpfender Bach, Wasser aus dem Wasserhahn – und testen Sie angefangen z.B. mit 1/500 immer langsamere Zeiten. Die Ergebnisse werden vom im Flug eingefrorenen Wassertropfen bis zum neblig-romantischen Fließen reichen.

Passiert in den besten Familien: f/25 hat zu über einer Sekunde Belichtungszeit geführt, erste Passanten werden durchsichtig ...

Passiert in den besten Familien: f/25 hat zu über einer Sekunde Belichtungszeit geführt, erste Passanten werden durchsichtig …

Noch ein Wort zum Verwackeln: Welche Zeit Sie ohne Stativ oder Unterlage noch halten können, hängt von mehreren Dingen ab. Eine “ruhige Hand” ist ein wenig Veranlagung, aber auch Trainingssache; Sie können Ihre Kamera z.B. mit Ellenbogen am Körper abstützen oder sich zur Stabilisierung an eine freundlicherweise gerade herum stehende Straßenlaterne anlehnen. Außerdem zieht ein schweres Objektiv automatisch vorne nach unten – ggf. linke Hand unterm Objektiv statt wie gewohnt an der Kamera. Und: Je mehr Sie ans Motiv heranzoomen (z.B. um im Zoo die Löwenbarthaare noch in groß abzubilden), desto größer wird die Verwacklungs-Gefahr.

Übrigens: Wenn die Belichtungszeit mehrere Minuten lang ist, verschwinden z.B. Passanten ganz aus dem Bild – sie sind einfach zu kurz an einer Stelle, um einen “bleibenden Eindruck” zu hinterlassen, werden “wegfotografiert”.
Gucken Sie mal in den nächsten Architektur-Bildband – sollten Sie da menschenleere abendliche Plätze entdecken: Jetzt wissen Sie, wie´s geht!

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