Künstlerische Freiheit: Belichtungskorrekturen zur Bildgestaltung einsetzen
Wie funktioniert das mit der gezielt veränderten Belichtung, wo stelle ich das an meiner Kamera überhaupt ein, und wie mache ich das bei gleichbleibend “zu hellen” oder “zu dunklen” Motiven? Lesen Sie mehr dazu in “Schwarze Katze und weißer Schnee – Belichtungstipps I“.
High-Key und Low-Key
Selbstverständlich können Sie die Belichtungskorrektur auch in “normalen” Situationen – wenn Sie also weder auf der weißen Sanddüne stehen noch ein Abendfoto machen möchten – ganz nach Ihrem eigenem Geschmack einsetzen, um Ihr Bild zu gestalten.
Sofort ins Auge springen die extremen Veränderungen:
Gerade Frauenportraits tauchen manche Fotografen gerne in sehr helles “überirdisches” Licht, sie nutzen das Stilmittel der High-Key-Fotografie.
Von Low-Key spricht man, wenn die dunklen Werte überwiegen. Lassen Sie auf einem Portrait die Gesichtszüge nur noch schemenhaft aus dem Schwarz aufscheinen, wird selbst aus dem netten Jungen von nebenan ein gefährlicher Gangster.
Tasten Sie sich doch selber mal spaßeshalber heran: Belichten Sie absichtlich zwei Blenden über oder unter (+ oder -2) und probieren Sie aus, was mit Ihren Motiven passiert!
Wahlmöglichkeiten bei jedem Bild
Aber auch im Fotoalltag sollten Sie mit der Belichtung spielen. Wirkt die Landschaft mit einer kleinen Minus-Korrektur nicht vielleicht saftiger? Oder kommt das Foto von der Dampferfahrt mit ein bisschen mehr Licht nicht freundlicher rüber?
Oft sind es die kleinen Veränderungen, die uns ein Foto als “gelungen” erscheinen lassen – gelungen hier erst mal nur gemeint als das Gefühl, eine selbst erlebte Stimmung, ein Erlebnis gut eingefangen zu haben.
Spannend wird es dann, wenn andere die Bilder betrachten: Erkennen auch sie, was wir beim Fotografieren empfunden haben? Dazu trägt selbstverständlich das Motiv den offensichtlichsten Teil bei. Aber wenn wir mit unseren Fotos das abgebildete Ereignis mitsamt den damit verbundenen Gefühlen rüberbringen möchten, spielen eben auch andere Gestaltungselemente eine wichtige Rolle, die dem Betrachter nicht sofort ins Auge springen.
Schnellauswahl bei jedem Bild: die Belichtungs-Speichertaste
Wenn Sie bei jedem Foto einzeln über die Belichtung entscheiden möchten, ist das Einstellen und Zurückstellen über die +/-Taste ganz schön unpraktisch. Aber es geht auch anders …
In so gut wie jedem Motiv gibt es ja hellere und dunklere Bildteile. Das können Sie nutzen: Richten Sie die Kamera mal auf den Himmel; der Belichtungsmesser registriert all die Helligkeit und bietet Ihnen eine kurze Verschlusszeit an – beispielsweise bei Blende f8 1/1000 Sekunde. Wenn Sie jetzt nach unten schwenken, verändern sich diese Werte – um den dunkleren Boden korrekt aufzunehmen, wäre bei f8 vielleicht 1/125 Sekunde nötig. Das ist ein riesen Unterschied! Jetzt müsste man diese Varianten innerhalb eines Bildes nur noch irgendwie unabhängig vom Bildausschnitt nutzen können.
So geht´s: Bei Spiegelreflexkameras gibt es hinten einen Knopf mit der Beschriftung “AE-L” oder ähnlich (“Auto Exposure Lock”, übersetzbar mit “Automatik-Belichtung-Festhalten”); bei kleineren Kameras ist diese Funktion oft an den Auslöser gekoppelt (halb herunterdrücken).
Wenn Sie den AE-L-Knopf bzw. Auslöser drücken, halten Sie also die Belichtungswerte fest, sie ändern sich nicht mehr. Die Folge: Sie “schnappen” sich die kurze Belichtungszeit vom Himmel und richten dann den Fotoapparat mit gedrücktem AE-L-Knopf nach unten – so können Sie auch den Waldboden mit der 1/1000 Sekunde aufnehmen, ohne zwischendurch die Kamera zum “An-Knöpfen-Herumfummeln” absetzen zu müssen.
Danach geht´s wie gewohnt weiter: Mit immer noch gehaltenem Knopf wählen Sie Ihr Motiv und lösen aus. AE-L-Knopf loslassen, bereit zum nächsten Foto.
Am Anfang ist das gewöhnungsbedürftig, schließlich braucht man einen weiteren Finger zum Fotografieren (bei meiner Kamera muss ich den rechten Daumen ganz schön strecken). Analog-Fotografen ohne Belichtungsspeicher-Knopf müssen sich ggf. die gewünschte Verschlusszeit merken und per Hand einstellen.
Aber ich gestehe, dass ich diese Möglichkeit inzwischen ganz automatisch und bei bestimmt zwei Dritteln meiner Fotos benutze. Öfters gibt´s auch mehrere Motiv-Varianten: Die kurze Belichtungszeit vom Himmel, eine halb-kurze von einer anderen Bildstelle oder anders herum die lange Belichtungszeit vom Boden mal nach oben “mitgenommen” …
Hohe Kontraste: Ich muss mich entscheiden
Kein Fotoapparat der Welt ist so schlau ist wie unser Gehirn!
Oft können Kameras nicht die ganze Bandbreite an verschiedenen Lichtwerten “richtig” abbilden, die wir ganz selbstverständlich mit einem Blick erfassen. Gerade bei sehr kontrastreichen Motiven (zum Beispiel beim Innenraum mit Blick durchs Fenster nach draußen oder bei Gegenlicht-Aufnahmen) klappt das oft nicht so, wie wir das gerne hätten.
In solchen Situationen hilft es nichts – Sie müssen entscheiden, was Ihnen wichtig ist:
Möchten Sie die dunklen Details korrekt abbilden, korrigieren Sie in Richtung Plus. Das ganze Bild wird heller, die Schattenpartien bekommen Zeichnung statt eine verschwiemelte Fläche zu bilden.
Liegt der Schwerpunkt auf den hellen Bildteilen, geht es eher in Richtung weniger (kürzere) Belichtung – jetzt erhält die weiße Wand Struktur.
Stellen Sie sich darauf ein, dass diese Entscheidung Folgen haben kann: Denn bei starken Helligkeitsunterschieden werden womöglich die jeweils anderen Motivteile ins Weiß “ausfressen” bzw. im Schwarz “absaufen”. Klar, mit Bildbearbeitung am Computer (oder für Analog-Fotografen: im Labor) lässt sich vielleicht noch einiges machen.
Aber wieder gilt: Es gibt Grenzen – auch das beste Programm kann Ihnen in einen leer-fotografierten weißen Himmel keine schicken Wolken zaubern.
Also probieren Sie auch schon beim Fotografieren selbst mit Varianten herum – Sie werden staunen!